Ein Hund soll einziehen...

...“warum soll ich mich da von einem Hundetrainer beraten lassen? Ich werde ja wohl selbst entscheiden können, was für einen Hund ich will!“

Natürlich entscheiden Sie selbst, und nur Sie!

Manchmal ist es allerdings sehr hilfreich, vorab einfach mal mit einem unabhängigen Menschen zu sprechen. Warum nicht mit einem, der jeden Tag beruflich mit den unterschiedlichsten Rassevertretern und deren Mischlingen zu tun hat? Natürlich gibt es auch innerhalb der Rassen und Mischlinge die vielfältigsten Charaktere, aber bestimmte Veranlagungen ziehen sich durch. Es ist zum Beispiel recht schwierig einen Jagdhund ohne jagdliche Ambitionen zu finden...
Und ein Hütehund behält die Passion zu hüten, auch wenn seine Vorfahren schon seit Generationen keine Schafe mehr gehütet haben, die Veranlagung ist da. Und nun kommt der spannende Aspekt: Wie kann sich diese Veranlagung in einem „Schaf-freien“ Haushalt auswirken?

Was sollte ich beachten, damit das gemeinsame Leben nicht zu einem dauernden Interessenkonflikt wird?

Definitionen...
Viele Hunderassen werden als „familienfreundlich“ beschrieben. Es gibt nicht die familienfreundliche Hunderasse!
Ein als „familienfreundlich“ bezeichneter Hund mag seine Familie durchaus lieben, aber wenn er schon den Nachbarn als Eindringling betrachtet, kann das unter Umständen bei einigen Begegnungen zu denkwürdigen Missverständnissen führen. Der wundervolle Familienhund hat womöglich eine sehr eigene Art, den Begriff „familienfreundlich“ zu definieren, die eventuell nicht ganz so klasse in Ihren Alltag passt. Das muss man wollen oder zumindest vorab bedenken, dass diese Möglichkeit besteht.

Oder der Parson Jack Russell Terrier, der vom Züchter als „agil“ bezeichnet wird... ja, so sind sie, die kleinen Wirbelwinde, aber wie sich diese Agilität im Alltag bemerkbar macht und welche Anforderungen sie mit sich bringt, sollte man genauer hinterfragen.

Sie sehen: vieles ist eine Frage der Definition.

Warum nun mit einem zertifizierten Hundetrainer über die „Anschaffung“ eines Hundes sprechen?
Nun ja, Sie kaufen doch auch ein Auto nicht, ohne sich vorab eingehend zu informieren, oder? Zum Beispiel werden Sie als Familienmensch bestrebt sein ein Auto anzuschaffen das ihren familiären Anforderungen entspricht. Egal, wie sehnsüchtig Sie im Autohaus die sportlichen Zweisitzer bewundern Sie können es drehen und wenden wie Sie möchten Sie bekommen den Kinderwagen nicht in den Kofferraum.
Und das macht nichts! Sie werden mit einem Wagen, der Ihren täglichen Anforderungen entspricht, langfristig absolut glücklich sein. Der heißbegehrte Roadster kann im Alltag mit Kinderwagen zu einem echten Ärgernis werden und die anfängliche Begeisterung ist schnell dahin denn... er passt einfach nicht in Ihr Leben.
Und umgekehrt natürlich genauso. Für einen Single in der Großstadt ist ein Großraum Van kaum das geeignete Auto für seine Lebenswirklichkeit.

Und was Ihren Computer anbelangt, da haben Sie sich vermutlich auch vor der Anschaffung Gedanken gemacht, welche features er haben sollte, was Sie eigentlich brauchen... und bei beiden Beispielen handelt es sich nur um „tote“ Gegenstände ohne Gefühle. Und für die betreibt man schon einen nicht unerheblichen Aufwand, sich vor der Anschaffung eingehend schlau zu machen.

Bei einem Hund geht es aber nicht um einen Gegenstand, sondern um ein Lebewesen...

Soll ein Hund das eigene Leben bereichern, dann zieht ein Lebewesen mit Gefühlen ein, mit Befindlichkeiten, mit Charaktereigenschaften, die wir vorab nicht unbedingt erahnen können, mit Verhaltensweisen, die sich gerade in den ersten beiden Lebensjahren des Hundes in einem steten Wandel befinden.

Wir Menschen wissen genau, welche Art Hund wir wollen, natürlich! Aber wissen wir auch, welche Art Hund uns will?

Noch bevor der Hund tatsächlich einzieht, haben wir ein Bild von ihm im Kopf, einen kleinen Film sogar, wie er uns morgens lustig vorauslaufend zum Bäcker begleitet, uns strahlend ansieht, wenn wir zusammen an der Straße warten, bis man rübergehen kann, wie wir bei schönsten Sommerwetter mit dem kleinen Drops durch den Park toben und Stöckchen werfen... und wir sind wild entschlossen dieses Bild zu kaufen und diesen Film zu leben.
„Uuuuund cut!“ Verzeihung, ich unterbreche den Film mal für aktuelle Nachrichten 

Warum ist mir die „Beratung vor der Anschaffung“ so wichtig? Weil ich schon sehr häufig Mensch-Hund-Gespanne gesehen habe, die ständig „aneinander vorbei redeten“, weil sie schlicht nicht zueinander passten.
Das „vorher Bild“ ließ sich einfach nicht in das gelebte Leben integrieren. Aus dem Bild „Stöckchen werfen im Sonnenschein“ hat die Realität matschige Wege im strömenden Regen mit einem zerrenden Hund gemacht.
Ich habe mit Menschen zu tun, die mir mehr oder minder genervt erzählen, sie hätten ihren Hund lieb, aber irgendwie ist der Alltag mit ihm immer eine mühselige Sache. Wenn sie gewusst hätten, wie viele Einschränkungen diese Art von Hund mit sich bringt...

Ich begegne Menschen, die mit Schuldgefühlen herumlaufen, weil sie ihren Hund nicht richtig auslasten können – „ich habe mich für einen Jack Russell entschieden, weil er klein ist und ich ihn mit ins Büro nehmen kann.“
Es gibt kaum eine Hunderasse, die mehr Bewegungsdrang hat, als ein Jack Russell Terrier... dessen Bewegungsfreudigkeit in einem Büroalltag abzudecken ist ein... nennen wir es mal: ambitioniertes Vorhaben.

Sie sind ein praktischer sportlicher Mensch, der gern joggen geht und das mit einem vierpfotigen Begleiter tun möchte. Ist da der Bernhardiner mit seinem pflegeintensiven Fell und seiner nicht unerheblichen Gewichtsklasse der richtige Joggingpartner für Sie? Und sind Sie der richtige Mensch für ihn?
Bernhardiner sind wundervoll, aber sind Sie sicher, dass es bei weit über 400 eingetragenen Rassen und unzähligen Mischlingen nicht doch eine Alternative gibt, die Sie genauso klasse finden und deren Vertreter Ihre sportlichen Ambitionen viel mehr mit Ihnen teilt?

Kurzum, ich würde mich sehr freuen, mit Ihnen in einem persönlichen Gespräch das Für und Wider in Bezug auf Ihren zukünftigen Herzenshund zu besprechen.
Arbeit und Zeitaufwand steckt in jedem Hund, aber ich finde, es gibt nichts Spannenderes, Lustigeres, Interessanteres und Liebevolleres als ein Leben mit einem Hund.
Und der erste Schritt in dieses Leben ist, sich vorab so viele Informationen, Tipps und Hilfe zu holen wie es geht. Damit diese Entscheidung mit aller Überzeugung getroffen werden kann, denn sie soll sich ein Hundeleben lang gut für Sie anfühlen – und für den Hund.
Und natürlich wird es dennoch genug Unwägbarkeiten geben, die Ihr neuer bester Freund Ihnen präsentieren wird, aber auf der Basis einer fundierten Entscheidung werden Sie dafür gerüstet sein – seien Sie sich sicher.

Herzlichst Ihre
Susa Gülzow